Recep, was wolltest du werden als du noch ein Kind warst?
Ich wollte immer ein eigenen Laden betreiben. Ich habe nämlich damals als Kind in einem kleinen Plattenladen ausgeholfen und mich hat es immer beeindruckt, wie mein Chef damals fast jeden aus der Nachbarschaft begrüßte. Dieser Kontakt zu den Mitmenschen hat mir schon immer sehr gefallen.
Welchen Beruf hast du dann tatsächlich ausgeübt?
In habe hier in einer Druckerei-Fabrik, die Grußkarten herstellt, gearbeitet. Ich war für die Heißprägung und das Maßschneiden zuständig.
Wer waren deine besten Freunde, als du nach Deutschland gekommen bist?
Ich bin im Jahr 1969 nach Deutschland gekommen. Allerdings bin ich nicht alleine gekommen, sondern mit meinem Kumpel Faruk, den ich schon aus der Türkei kannte. Wir sind nun schon seit mehr als 55 Jahren miteinander befreundet. Eine Freundschaft, die wir ohne Whatsapp oder soziale Medien aufrechtgehalten haben. Das ist eine sehr innige Freundschaft: Sein Geld war mein Geld, mein Geld war sein Geld.
Was hast du mit deinem ersten Lohn gemacht?
Das klingt vielleicht heutzutage absurd, aber zu unserer Zeit gab es nicht "mein Lohn, dein Lohn". Wir sind als Familie nach Deutschland gekommen und jeder hat sein Einkommen in ein Familientopf gelegt und von dort aus verwaltete das Familienoberhaupt die Finanzen. Ich bekam also von diesem Topf eine Art Taschengeld. Bei uns war unser Familienoberhaupt altersbedingt mein älterer Bruder, der die Hoheit über die gesamten Finanzen hatte.
Was war in deinem Koffer drinnen, als du zum ersten mal wieder zurück in die Türkei gegangen bist?
Meine Koffer waren vollgepackt mit Milka-Schokolade (lacht). Ich hatte so viel Schokolade dabei, dass sich das sogar fast kriminell anfühlte. Ich steckte aus Angst an den Grenzkontrollen den Polizeibeamten immer Geld zu, damit sie nichts sagen. Meine Familie in der Heimat war verrückt nach deutscher Schokolade.
Würdest du nochmal auswandern?
Nein. Wäre ich damals als junger Bursche nicht auf das Geld angewiesen, wäre ich nicht gekommen. Aber ich bereue es keineswegs, nach Deutschland gekommen zu sein. Das mag zwar widersprüchlich klingen, aber lasse es mich folgendermaßen erklären: Ich habe damals meine Familie und Freunde in der Heimat verlassen, was mir sehr schwer gefallen ist - deshalb das Nein. Andererseits habe ich dafür aber hier meine eigene Familie gegründet und neue Freundschaften fürs Leben gefunden, die ich nicht missen möchte - deshalb bereue ich es auch nicht.
Was liebst du an Deutschland?
(überlegt einen kurzen Moment) Die spezielle, deutsche Art von Respekt. Und ich meine damit nicht den üblichen Respekt, den man beispielsweise gegenüber seinen Mitmenschen zeigt. Ich rede vom Respekt gegenüber der Gesellschaft. Die Menschen hier pflegen nämlich eine eigene Art von Respekt, die ich bewundere. Sie respektieren eine rote Ampel, sie respektieren ihre Haustiere, sie respektieren so viele Sachen. Das hat mich schon immer an Deutschland beeindruckt.
Was vermisst du in der Türkei?
Ich vermisse das Cafe in meinem Heimatdorf. Nicht aber weil der Tee dort so besonders schmeckt, sondern vielmehr wegen meinen Freunden, die sich dort regelmäßig versammeln und über Gott und die Welt sich unterhalten. Dort war ich schon immer als Teenager. Ich freue mich jeden Sommer wie ein kleines Kind, wenn ich jedesmal im Urlaub wieder dorthin gehe und die alten Gesichter sehe. Dort fühle ich mich nicht fremd. Man kehrt halt immer zu seinen Wurzeln zurück, ganz egal wie weit man rumgekommen ist.
Wenn du eine Sache in Deutschland verändern könntest, was würdest du verändern?
Hmm...ich würden den Menschen hier empfehlen, mehr Gefühle zuzulassen. Die Menschen sind zu sachlich. Das finde ich schade.
Was ist das deutscheste Wort für dich?
"Ja freiliiiiig!" (und lacht laut los)
Cay oder Kaffee?
("Kaffee" flüstert seine Frau Behiye nebenan mit einem Zwinkern) Recep: 3 Cay zum Frühstück, schon immer - und erst dann ein türkischer Mokka. Anders gehts nicht. Ab 13 Uhr dann ein Nescafe. Genau in dieser Menge und in dieser Reihenfolge, schon seit mehr als 50 Jahren.
Welchen Ratschlag fürs Leben gibst du deinen Enkeln mit?
Setzt euch ein Ziel im Leben. Macht einen Plan und orientiert euch daran. Die Menschen leben heutzutage meiner Meinung nach ziel- und planlos von Kalenderwoche zu Kalenderwoche.
Vielen Dank für das Gespräch, Recep!
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1 comment
Wow! Was für ein schönes, süßes Interview! Mehr davon, bitte!
Als Ausländerin kann ich mich nur mit Herrn Recepts Geschichte identifizieren <3
Ich stimme ihm voll und ganz zu, als er gesagt hat, dass die Menschen hier sehr sachlich sind. Außer den Kolleginnen und Kollegen, die bei Nene arbeiten – sie empfangen einen immer mit einem Lächeln, was ich sehr schätze. Deshalb bin ich Stammkundin :)